Südrussland 2024

September 2024
Berge und Meer,
Kultur und Leute
16 Tage Rundreise
mit einem E-Visum
Vom Schwarzen zum Asowschen Meer
über Kaukausus Gebirge und Don Steppen

von Sotschi über Kislowodsk und Noworossijsk nach Rostow am Don

Peter Rüegg
Hedingen, Schweiz
Jetzt nach Russland, muss das sein?

Ich frage zurück: Was spricht dagegen? Der Krieg?
Was will ich denn: Krieg oder Frieden? Natürlich Frieden. Ich tue wirklich etwas für den Frieden, indem ich den Kontakt und das Gespräch suche mit Leuten im «feindlichen» Land.
Nun, das war der eine Grund meiner Reise. Der andere: Wir (meine Frau und ich) haben seit Jahren Freunde in Russland,
und irgendwann möchte man die auch wieder mal sehen. Da es für diese praktisch ausgeschlossen ist, uns in der Schweiz
zu besuchen, ergibt sich von selbst, wer eine Reise machen wird….

Ja, ich ging allein. Wir haben einen alten Hund, den wir nicht mehr andern Leuten anvertrauen können. So entschied sich Corinne, das Abenteuer mir zu überlassen.
Na ja, man könnte das auch ohne den Beigeschmack von Abenteuer, in einer wohlorganisierten Gruppenreise haben. Aber die Geschmäcker sind verschieden, und so ging ich auf eigene Faust, ohne Führer, mit öffentlichen Verkehrsmitteln.
Ganz stimmt das so nicht, denn zu unseren Freunden in Russland gehört vor allem Anna, und sie hat mir sehr wohl geholfen. Nämlich erstens bei der Reisevorbereitung: Südrussland ist ihre Heimat, also konnte sie mir locker Tipps geben, wohin die Reise gehen soll. Zweitens war ich darauf angewiesen, dass sie für mich eine Buchung auf einem Schnellboot vornahm, drittens hat sie einem kleinen Hotel ohne Ausländer-Erfahrung geholfen, die nötigen Dokumente zu erstellen, und viertens haben sie und ihre Freunde mich ein Wochenende lang so richtig verwöhnt!

Zugegeben, die Reise erforderte viel Vorbereitung und auch minimale Russisch-Kenntnisse, aber in etwas abgeänderter Form wäre sie-mit entsprechend mehr Unterstützung von Anna-auch mit weniger Aufwand zu machen!

Hausberg in Pjatigorsk
Hausberg in Pjatigorsk
Klar, von Russlandreisen, insbesondere in den Süden, wo man sich dann in der Nähe des Kriegsgebiets befindet, wird offiziell dringend abgeraten. Kann man aus Sicht einer Amtsstelle ja durchaus verstehen. Aber konkret: wo liegen die Risiken? Von einer Rakete abgeschossen zu werden? Ein Verkehrsunfall ist viel wahrscheinlicher, und dazu braucht man nicht erst nach Russland zu fliegen.

Also ging ich im September 2024 nach Südrussland.
Allerdings: Da waren ein paar Hürden.

Zunächst einmal wurden Flüge nach Russland von keiner westlichen Plattform angeboten. Aber zum Beispiel Trip.com (Singapur) macht das. Bloss: man hat dann 2 voneinander unabhängige Flüge. Der erste mit Turkish: Zürich-Istanbul, der zweite mit Aeroflot: Istanbul-Sotschi (Sotschi ist der Einfachste Einstieg nach Russland). Und es kam natürlich, wie es kommen musste: Turkish hat in der Zeit zwischen Buchung und Reise 2x den Hinflug und 1x den Rückflug nicht um Minuten, sondern um Stunden, verschoben, dieweil Aeroflot bei ihrem Flugplan blieb. Konsequenz: Auf dem Rückflug musste ich eine Nacht in Istanbul verbringen und mich somit um dortiges Hotel und Zubringer kümmern. Na ja, das hat dann trotz zwischenzeitlichem Stress geklappt.

Dann die nötigen Hotels in Russland buchen. Offiziell geht das nicht, denn mit der Kreditkarte kann man in Russland gar nichts. Aber über russische Plattformen (in meinem Fall Ostrovok) gibt es die Möglichkeit, Hotels zu finden, die eine Reservation auf blosse Zusage hin machen (falls ich nicht komme, wäre das dann ihr Verlust). Allerdings sind das nur wenige, die Qual der Wahl ist also erträglich… man muss nehmen, was vorhanden ist. Zudem hat man ja Kriterien bei der Suche: Die Lage so, dass man möglichst wenig herumfahren muss, der Preis innerhalb meines Budgets, und: mit Reception, also kein Apartment, wo man den Zugangscode vorher erhält oder vielleicht auch nicht und im negativen Fall mal so richtig auf Russisch telefonieren muss (müsste).

Dann hatte ich 3 Bahnreisen vorgesehen. Und siehe da: die liessen sich problemlos per Kreditkarte buchen… die Welt ist voller Rätsel.

Ja, und dann wollte ich ja Städte besichtigen und Ausflüge machen. Dazu musste ich mich mit den lokalen Busnetzen und Bahnlinien bekanntmachen. Das bin ich mich von anderen Reisen in andere Länder gewohnt. Aber nein, das kann doch wohl nicht sein: Google findet in Sotschi keine Buslinien! Es dauert eine nervöse Weile, bis ich auf Yandex stosse. Hier gibt es alles, was man braucht. Und zwar bei Bedarf auch live, das heisst, man sieht auf dem Stadtplan die Linienbusse mit entsprechenden Nummern sich bewegen! So konnte ich mir also für jede Busfahrt die Anzahl Haltestellen und deren Namen notieren. Klar, ich bin alt (78), und mein Handy funktioniert im Ausland nur über WiFi, das heisst im Hotel. Vielleicht ginge das mit einem «richtigen» Handy mit den entsprechenden Apps auch einfacher…Dafür war ich nicht aufs Handy angewiesen und orientierte mich in der Stadt selber. Auch kam ich so oftmals in die Lage, jemand fragen zu müssen…und schon war ich im Gespräch… mit Leuten im «Feindesland».
Sotschi
Bummelallee in Kislowodsk
Ja, und schliesslich kam jetzt noch das Ausfüllen des E-Visas. Das ist an sich eine sehr gute Sache, man kann für 50€ ein Visum (16 Kalendertage gültig) zuhause erstellen. Na ja, das Formular hatte damals noch etwas Luft nach oben: Die ersten Schritte gingen ganz flott, dann war das weitere Ausfüllen plötzlich blockiert. Bei Schwierigkeiten soll man sich ans Aussenministerium wenden. Hab ich gemacht. Keine Antwort.
Schliesslich bat ich meinen Schwiegersohn, das Visum spasseshalber für sich auszufüllen. Bei ihm klappte es. Also lag es an mir. Auf seinen Rat hin eröffnete ich eine neue mail-Adresse bei einem anderen Anbieter. Anna hat dann herausgefunden, dass gmx in Russland blockiert ist. Gut zu wissen, denn sonst hätte ich in Russland nirgendwohin Mails verschicken können.

Jetzt funktionierte es mit dem Visum. Das heisst, bis mein Passfoto akzeptiert wurde, musste ich es mit einem Fotoprogramm ein bisschen umfärben. Dann akzeptierte der Kalender keine Eingaben. Bis ich auf die russische Version umklickte. Dafür war dann alles wieder weg, was ich bisher in der englischen Version eingegeben hatte.
Also nochmals. Nun wollte die liebenswürdige künstliche Intelligenz noch wissen, wen oder welche Institution ich besuchen werde. Vorher hatte ich ausdrücklich bei «Tourismus» und nicht bei «persönlichen Besuchen» angeklickt. Schliesslich trug ich Name, Adresse, Telefonnummer und mail-Adresse irgendeines Museums ein. Das wurde akzeptiert, hinterliess mir aber ein leicht mulmiges Gefühl, wenn ich an die Zollbeamten am Flughafen dachte…ob die das auch akzeptieren?
Das Visum erhielt ich fristgerecht von der russischen Behörde bestätigt. Also in den Koffer damit.

A propos Koffer: Angesichts meines Alters und früheren Erfahrungen in Russland entschied ich mich, nur mit Kabinengepäck zu reisen, also einem kleinen Koffer und einem kleinen Rucksack dazu. Beides bis aufs zulässige Gewicht gefüllt. Das geht, wenn man sich genau überlegt, was man wirklich benötigen wird. Und eine entsprechende Waage hat.
Sotschi
Sotschi

Sotschi

Nun begann eine eigentlich ganz normale Reise. Der Zollbeamte in Sotschi (Flughafen Adler) musterte allerdings mein Visum lange, rief dann auch noch einen Kollegen herbei und liess meinen Blutdruckkurzfristig ansteigen. Schliesslich erhielt mein Visum mit lautem Knall einen Stempel: «Der nächste bitte!» und ich war in Russland.

Wenigstens am Flughafen. Denn jetzt brauchte ich ein Taxi zum Hotel, das nicht beim Flughafen in Adler lag, sondern in Sotschi, also 30km entfernt. Ich wusste: maximal umgerechnet 20€ bezahle ich dafür. Schon steht der erste Fahrer vor mir «Taxi?» «Ja, zum Hotel so und so», erwiderte ich. «OK, 30€». «Njet!». Da kam der nächste. Genau dasselbe noch einmal. Nachdem ich auch dem Dritten «Njet!» gesagt hatte, dachte ich bei mir: «Gut, du hast dich nicht über den Tisch ziehen lassen, aber wie kommst du jetzt zum Hotel?» Da klopfte mir jemand (der das offenbar mitgekriegt hat) sachte auf die Schulter: «Nehmen sie doch den Zug!» Hm, das hatte ich gar nicht in Erwägung gezogen, denn das Hotel liegt ja nicht beim Bahnhof, und dann brauche ich dort trotzdem wieder ein Taxi…aber egal, ich muss hier weg, also Zug.

Der Bahnof war gerade mal 50m entfernt, ich ging zum Schalter. «Zum Billetkauf ist keine Zeit mehr, gehen sie sofort zum Zug». OK, dann eben. Ich beeilte mich, sah den Zug, stieg in den hintersten Wagen, und schon fuhren wir. Der nächste wäre eine Stunde später gewesen. Im Zug fragte ich, wie ich jetzt zu einem Ticket käme. «Keine Sorge, da kommt dann jemand vorbei». Da kam aber niemand vorbei, ich stieg aus und kam zur Schranke, wo man ohne gültiges Ticket nicht rauskam. Aber da war eine Beamtin. «Sie können mir bezahlen». Die Banknote (umgerechnet 50€), die ich vom Geldwechsel bei der Bank hatte, konnte sie aber nicht wechseln. Kurze Meditation, dann ging die Schranke auf «Na, gehen Sie jetzt!»

Nun also zum Hotel. Gemäss Stadtplan müsste das zu Fuss in einer Viertelstunde zu schaffen sein. War es auch, denn ich marschierte auf einer sehr breiten Fussgängerallee, notfalls wären da auch Ruhebänke gewesen.
Das Hotel nun bescherte mir das erste Stress-Erlebnis. In einer russischen Stadt hat man ein Haus noch nicht gefunden, bloss weil man bei der richtigen Hausnummer steht. Darein können sich mehrere Häuser teilen, die auf unterschiedlichen Wegen zu erreichen sind. Da war ich also, die Hausnummer stimmte, aber da war kein Hotel, und niemand wusste etwas von einem Hotel. Ja doch, da war ein Pfeil, die Aussentreppe hoch, und oben war eine Tür mit dem richtigen Namen. Verschlossen, keine Klingel, nichts. Es war natürlich längst Abend, irgendwann wollte ich in ein Zimmer. Also wieder runter und weiterfragen. Irgendwann zeigte eine Frau auf eine Gruppe herumlungernder Jugendlichen «Die könnten das vielleicht wissen». Und so war es auch. Einer aus der Gruppe führte mich zu einer verschlossenen Gittertür, die sich per Code öffnete. Dann ging es in einem Innenhof um 3 Ecken eine Treppe hoch auf eine Strasse, sozusagen im Obergeschoss, und da war wieder eine Haustür mit dem Hotelnamen. Der Junge hatte seine Pflicht getan und verliess mich wieder. Auch diese Türe war verschlossen, öffnete sich aber nach Betätigen der Klingel. Ich war angekommen.
Seehafen Sotshi
Seehafen Sotshi
Nun sah ich mir Sotschi an.
Den Namen kennt man spätestens seit den Olympischen Winterspielen 2014. Diese haben dort gut sichtbare Spuren hinterlassen, Plus und Minus. Einerseits ist innerhalb einer Stunde Zugfahrt ein grosses modern ausgerüstetes attraktives Ski- und Wandergebiet erreichbar. Andererseits wurde in der Stadt und an der Küste im fiebrigen Baueifer wenig auf landschaftliche Belange Rücksicht genommen. Schade. Sicher wurde dabei eine Menge Geld verdient…

Man sollte sich also nicht auf romantische Altstadtgässchen einstellen. Aber: Es gibt parkartige Alleen mit Palmen und sonstiger mediterranen Vegetation, die man als Anfänger eher nicht mit Russland verbindet. Und im Hafengebiet sind noch die Bauten aus der ursprünglichen Kurstadt. Es gibt diverse Museen, die allesamt nicht von Weltbedeutung sind, aber angesichts der niedrigen Eintrittspreise einen Besuch dennoch lohnen. Zum Beispiel erhält man Einblicke in die Entwicklung der russischen Malerei, die sich doch ziemlich von der westlichen unterscheidet; oder in die Lokalgeschichte, die auch für Ausländer nicht einfach nur belanglos ist. Interessant ist jedenfalls eine Schiffsrundfahrt.

Mehrere Stunden kann (sollte) man im Dendrarium verbringen, einem Baumpark an ziemlich steilem Hang auf 45ha, mit sehr vielen angeschriebenen Bäumen, aber auch Kunstbauten, wie Kolonnaden, Springbrunnen und dergleichen. Natürlich kann man sich da auch im Touristenzüglein herumfahren lassen. Es gibt auch weitläufige Unterhaltungsparks, etwa der Riviera Park, der einen schönen Spaziergang hergibt und vor allem viele kostenpflichtige Attraktionen bietet. Sotschi hat auch eine kleine Kathedrale und 2 Theater (Sommertheater in schönem Park und Wintertheater, ein klassizistischer Gewaltsbau oberhalb des Zentrums).
Vieles ist vom Hafen aus zu Fuss zu schaffen. Ansonsten gibt es ein gutes Busnetz (wie schon erwähnt, über Yandex mit Linienplan sowie Abfahrtszeiten für jede Haltestelle) oder (notfalls) auch Taxis. Winkt man ein Taxi einfach so heran, wird man feilschen müssen. Russen bestellen ihr Taxi über Yandex zu vorbestimmtem Preis. Man sollte die Kühnheit haben, bevor man in ein Taxi einsteigt einen Passanten nach dem vernünftigen Preis für die Strecke zu fragen! Das ist kein Problem, man wird täglich mehrmals Russen um eine Auskunft bitten müssen, sei es, um ein Gebäude zu finden, sei es, um an der richtigen Haltestelle auszusteigen oder die richtige Buslinie zu erfahren:

Tipp von Peter: Russen helfen einem Ausländer bereitwillig! Wichtig: Immer zuerst sagen: Entschuldigen Sie, ich bin Ausländer…., dann ist das Eis schon gebrochen!
Wer will, kann auch Stalins Datscha besuchen. Sie liegt etwas ausserhalb der Stadt und ist per Bus und dann in 15’zu Fuss zu erreichen. Na ja, das ist jetzt nicht gerade ein Monument von Weltformat, aber immerhin besuchenswert; es geht mehr um den Kitzel, dass hier der leibhaftige Stalin zeitweise gewohnt hat. Und: sie ist landschaftlich sehr schön gelegen. Übrigens: Stalin wird nicht als Verbrecher gehandelt, sondern eher als Staatschef, der in guter Laune für die Armen auch mal eine grosszügige Hand hatte.
Berglandschaft in Krasnaja Poljana
Auch wer mehr Zeit in Sotschi zubringt, braucht sich nicht zu langweilen; man kann per organisiertem Gruppenausflug auch das Hinterland mit Wasserfällen besuchen. Sogar nach Abchasien (strittiges Gebiet zwischen Russland und Georgien) werden Tagesausflüge angeboten, da sollte man allerdings die jeweilige politische Situation berücksichtigen.

Von den auch bei Yandex immer noch als sehenswert markierten ehemaligen Sanatorien sieht man besser ab, denn sie sind grossräumig mit Stacheldraht eingezäunt und dämmern leise vor sich hin.

Keinesfalls sollte man einen Tagesausflug ins Kur- und Sportgebiet Rosa Chutor auslassen! In einer Stunde bringt dich die Bahn dorthin, einem zwar mehrheitlich neu gebauten, aber architektonisch durchaus ansprechenden Touristenort. Du kannst da bummeln, die vielen Läden besichtigen oder dich in einem Café oder Restaurant niederlassen.
Tipp von Peter: Auch im Sommer sind einige Kabinenbahnen und Sessellifte in Betrieb und bringen dich auf 2300müM, wo du in herrlicher Gebirgslandschaft wandern kannst. Falls du sehr gerne wanderst: überleg dir, in Rosa Chutor zu übernachten!
Berglandschaft in Krasnaja Poljana

Kislowodsk

Am 5. Reisetag, abends um 21.50 fuhr mein Nachtzug ab. Ich hatte 1. Klasse gebucht, erstens, weil man so zu zweit (statt zu viert) eine Kabine hat, und zweitens, weil das Essen besser ist. Vorsorglich hatte ich also an diesem Abend noch nichts gegessen. Kaum abgesessen, sah ich das Schild (Beschriftungen und Durchsagen in der Bahn sind zweisprachig): Nachtessen gibt es bei Abfahrten vor 21.30. Hm…also Fasten bis zum reichhaltigen Frühstück!

Mein Zimmergenosse war Profi-Volleyballspieler, und kam gerade aus Südamerika zurück, um seine Eltern zu besuchen. Er sprach gut Englisch, erzählte von seinem Beruf, seinen Hobbies (unter anderem Bärenjagd!) und seiner Familie, mit entsprechenden Handy-Fotos. Um Mitternacht war er am Ziel, ich war nun allein in der Kabine. 13 Stunden lang dauerte die Fahrt um den Kaukasus herum ins Thermalwassergebiet, bis zur Endstation, dem nostalgischen Bahnhof in Kislowodsk auf 800müM.
Bahnhof Kislowodsk
Schlafabteil der 1. Klasse im Nachtzug in Russland
Das ist, verglichen mit Sotschi, eine andere Welt. Zwar ebenfalls Kurort aus der Zarenzeit, aber halt nicht so mondän geworden. Hier kann man auf langen Alleen gemütlich spazieren, dabei geht es schon auch mal, teils über Treppen, in die Höhe. Zu sehen gibt es alles, was Kurgäste früher zu ihrem Wohl benötigten: Sanatorien, Therapiegebäude, Souvenir- und sonstige Läden, Theater, Springbrunnen und Kaskaden, Säulen-Rotunden, Tempelchen und auch eine Kathedrale. Speziell: Eine Trinkhalle. Oh nein, das ist kein Hofbräuhaus, sondern eine Wandelhalle mit vielen Wasserhähnen. Gegen umgerechnet 5 Cent erhält man da einen Pappbecher und kann nun Mineralwasser trinken, soviel man will. Man will aber nicht viel, denn das ist nichts gegen den Durst, sondern für die Gesundheit.

Mittlerweise gibt es auch ein paar Museen, darunter ein kleines zum Gedenken an Alexander Solschenizyn in dessen Geburtshaus und ein grosses zur Information über das ganze Kurgebiet. Obwohl hier momentan kaum ausländische Touristen anzutreffen waren, kam ich ohne Aufpreis in den Genuss von englischsprachigen Privatführungen. Sehr empfehlenswert! Ja, das wird vom Personal nicht als lästig (unwirtschaftlich) empfunden, sondern man erklärt einem interessierten Ausländer gerne die Feinheiten des Gebietes. Im sehr kleinen Solschenizyn-Museum war allerdings nur russischsprachiges Personal, aber »Warten Sie einen Moment, ich will mal schauen», und schon erschien ein gepflegter Herr und erklärte mir alles auf Englisch. Das dauerte nicht lange, aber jetzt unterhielten wir uns über Gott und die Welt. Er war sehr interessiert, wie man die Weltlage bei uns beurteilt, im Gegenzug erhielt ich die russische Sicht erläutert. Dabei ging es nicht nur um die Welt, sondern auch um die Mentalität in West und Ost. Das war für mich sehr beeindruckend. Am Schluss erwähnte er so nebenbei, er sei ein Verwandter von Solschenizyn…
Jessentuki, Kaukasus, Rissland
Quelle von Mineralwasser, Kaukasus, Russland
Wanderwege in Kislowodsk

Pjatigorsk und Jessentuki

Kislowodsk hat auch einen Hausberg, auf den man mit der Schwebebahn gelangt. Tipp: Sei früh an der Talstation, jedenfalls vor Betriebsbeginn, sonst lernst du Schlangestehen. Die 2 Kabinen fassen je 20 Personen, bei Andrang sind sie schnell einmal überfordert. Aber die Fahrt lohnt sich! Hoch ist der Berg nicht, aber er bietet Aussicht und Wandermöglichkeiten! Und: bei idealem Wetter die Sicht auf den Elbrus, Europas höchsten Berg (hatte ich leider nicht).

Wenn man eine Unterkunft in der Nähe einer Bushaltestelle hat, kann man das weitläufige Gebiet locker ohne Taxi bewältigen. Es verkehren haufenweise meist sehr kleine Busse zu Einheitspreis pro Fahrt. Beim Einsteigen die Münzen beim Fahrer hinlegen. So geht das übrigens auch in grösseren Städten wie Sotschi oder Rostow. Für weiter abgelegene Sehenswürdigkeiten bräuchte man ein Taxi oder Mietwagen. Aber das Meiste hab ich auch so gesehen, und mehr Zeit als eineinhalb Tage hatte ich sowieso nicht.
Aber die beiden nahegelegenen Städte Pjatigorsk und Jessentuki hab ich auf einem Tagesausflug per Bahn besucht.

Pjatigorsk bietet ebenfalls einen grossen Kurpark zum Bummeln an, mit den für die damalige Infrastruktur nötigen Gebäuden und weiteren Kunstbauten, das meiste in Jugendstil oder wenigstens von Jugendstil angehaucht. Da sind auch 2 sehenswerte Kirchen und ein historischer Friedhof. Auch hier gibt es einen per Schwebebahn zu erreichenden Hausberg mit Aussicht und Wandermöglichkeiten.

Das Lermontov-Museum sollte man unbedingt besuchen! Leider kann ich darüber nichts aus eigener Erfahrung berichten, da ich meine Reise-Organisation mit den Öffnungszeiten nicht in Einklang brachte…
Aussicht vom Berg Maschuk, Pjatigorsk, Kaukasus
Für Jessentuki braucht man nicht soviel Zeit, aber einen ausgedehnten Spaziergang durch den langgezogenen Kurpark sollte man schon machen. Übrigens: die Alleen in den Kurpärken sind in allen 3 Städten gepflastert, also braucht man dazu keine Wanderschuhe. Das hatte früher seinen Zweck: die vornehmen Kurgäste pflegten im Bett zu frühstücken und dann – noch im Pyjama – auf den Alleen zu spazieren!
Am Abend vor der Weiterreise nach Rostow erlebte ich eine kleine Unterhaltung, und Anna kam zu einem Arbeitseinsatz. Im relativ bescheidenen Hotel waren wohl noch nie Ausländer abgestiegen, jedenfalls wusste die Dame an der Theke nicht, dass sie mir eine Aufenthaltsbescheinigung aushändigen musste. Da ich ihr das schlecht auf Russisch erklären konnte, gab ich ihr vorsorglich Annas Telefonnummer. Aber sie steckte das weg, und wurde erst am letzten Tag nervös, als sie mit Anna telefonierte und offenbar erfuhr, dass das Dokument wirklich nötig ist.

Für mich war das dann so: Am letzten Abend kam ich etwas früher ins Hotel, da ich noch in Ruhe meine eingekaufte Verpflegung essen und dann meine Sachen für die Weiterreise bereitlegen wollte. Zwischen zwei Bissen klopfte es stürmisch an der Zimmertür: «Kommen Sie sofort!» Ich öffnete, und die Hotelangestellte zerrte mich raus. Das angefangene Essen und all mein Bargeld blieben im nicht abgeschlossenen Zimmer. «Kommen Sie schnell, das Taxi!» Ja, da stand wirklich ein Taxi vor dem Haus, und schon wurde ich reingeschoben. Zusammen fuhren wir nun in flotter Fahrt ins Stadtzentrum, und alsbald befanden wir uns in einer sehr grossen Schalterhalle für Dokumentenerstellung. Dort wurden wir sofort bedient, verbrachten aber trotzdem in dem riesigen Blechgebäude genau eine Stunde. D.h. so lange wurden nun Fragen gestellt, Formulare ausgefüllt, Papiere ausgedruckt und unter Beamten diskutiert. Und bei Ratlosigkeit wurde Anna angerufen. Unterdessen brach ein höllisches Gewitter los, was in der Blechhalle ohne Gehörschutz zu einem eindrücklichen Erlebnis wurde. Meine Kollegin zuckte bei jedem Blitz zusammen und hatte es sichtlich mit der Angst zu tun. Schliesslich kam, was ja zu erwarten war: Der Stromausfall. Es war schon Abend, das heisst dunkel. Aber wir sassen immerhin im Trockenen.
Nach einiger Zeit kam aber die Energieversorgung zurück, und mein Dokument konnte fertiggestellt werden. In den Pausen zwischen ihren Angstschüben bei jedem Donnerknall zeigte mir meine Begleiterin angeregt ihre Familienfotos….das nennt man wohl Stimmungsschwankung?

Irgendwann waren wir noch die Einzigen in der Schalterhalle, denn die Bürozeit war vorbei, aber mein Dokument wurde fertiggestellt, und am späten Abend setzte ich mein Abendessen da fort, wo ich unterbrochen wurde.
Nationalpark Kislowodsk
Landgut in Kislowodsk

Rostow am Don

Am Tag 9 fuhr ich frühmorgens in einem modernen bequemen 2.Klass-Wagen in 7 Stunden nach Rostow. (Die Fahrt hatte ich natürlich schon in der Schweiz gebucht). Neben mir sass eine Frau mittleren Alters, und trotz meiner dürftigen Russisch-Kenntnisse erfuhr ich einiges über ihre Familie, und dass sie von einem Kuraufenthalt in Kislowodsk nun nach Taganrog, ihrem Wohnort, zurückreise. Auch bot sie mir von ihrem Proviant an (wir sind in Russland!), aber ich hatte selber eine Kleinigkeit dabei.

Nun zog Russland am Fenster vorbei: Steppen, Kornfelder, Auen, Teiche, Gehölz und immer wieder ländliche Siedlungen, auch die typischen Bauernhäuser. Manchmal kam vor einem Halt die Durchsage, dass man aussteigen und wieder einsteigen könne. Na, logisch, wozu hält der Zug denn sonst? Da sah ich aber mehrere Leute aussteigen und auf dem Perron bleiben. Dann begannen alle zu rauchen. Aha, die Durchsage hiess eigentlich: »Am nächsten Bahnhof reicht die Zeit, um eine zu rauchen, nützt die Gelegenheit!» Die übrigen ausgestiegenen Passagiere überquerten nun munter zwei Geleise, um zum Bahnhofsgebäude zu gelangen. Das ging, weil die Perrons auf Geleiseniveau waren und jetzt ja gerade keine Züge durchfuhren; auch gab es gar keine andere Möglichkeit. Ja, haargenaue Organisation erspart teure Bauten!

Allerdings: Bei solchen niedrigen Bahnsteigen (es gab auch hohe «ebenerdige») wird bei der Türe eine 3-stufige Leiter ausgefahren, da war ich sehr froh, nur mit Kabinengepäck unterwegs zu sein! Bei einem Dorf überquerte der Zug eine Strasse; da fiel mir auf: Da war zwar eine Bahnschranke, aber zusätzlich hatten sich schwere Eisenplatten in der Strasse aufgestellt; die legten sich mit dem Hochgehen der Bahnschranke wieder. Da wird das Überqueren eines geschlossenen Bahnübergangs zur Herausforderung…
Unterwegs von den Bergen in die Steppen
Bis jetzt ist die Reise ziemlich nach Plan verlaufen, dennoch war Anna besorgt und wünschte, dass ich sie jeden Abend anrufe, um sicher zu sein, dass der Alleingänger aus der Schweiz sich nicht irgendwo verliert…. Russische Fürsorge halt!
Am Mittag kam der Zug (auf die Minute genau) in Rostow an.

Aus dem Wagen geklettert, schaute ich mich nach dem Ausgang um. Aber schon klopfte mir jemand auf die Schultern: Anna hat ihre Arbeit unterbrochen und war zum Bahnhof gefahren, um mich in der Millionenstadt zu empfangen! Nun hatte ich 2 ½ Tage Zeit, um Rostow zu erkunden, und die brauchte ich auch. Zusätzlich wurde ich von Anna und weiteren Freunden übers Wochenende 2 Tage lang regelrecht betreut.

Rostow ist gross (1,4 Mio E), trotzdem kann man das meiste zu Fuss erledigen, wenn das Hotel schön im Zentrum liegt. Die grössten Strecken marschierte ich auf der Pushkinskaja, einer sehr langen und sehr breiten parkartigen Fussgänger-Allee. Man kann ein paar Museen von regionaler Bedeutung besuchen, die sich aber angesichts der niedrigen Eintrittspreise trotzdem lohnen (falls man Zeit hat, sonst lässt man es).
Rostow hat nicht eigentlich eine kuschelige Altstadt, aber viele architektonisch bemerkenswerte Häuser. Interessant ist vor allem das alte Quartier bei der markanten Kathedrale, dort ist auch ein riesiger Markt, wo man allein schon Stunden verbringen könnte. Ein bisschen am Don Spazieren ist auch sehr schön. Etwas ausserhalb des Zentrums gelegen ist die Serafim-Kirche. Der Bus fährt zwar in die Nähe, aber es bleibt noch ein Fussmarsch durch schmale Strässchen. Da war ich mir dann doch nicht mehr ganz so sicher und dachte: wie schön, wenn ich jetzt jemanden nach dem Weg fragen könnte! Aber über Mittag in dem kleinen Wohnquartier war niemand. Doch, da öffnete sich eine Haustür, sofort ging ich zu dem Mann und fragte ihn nach der Kirche. Er überlegte kurz, zeiget auf ein Auto, sagte:» steigen Sie ein!», und fuhr mich zur Kirche. Tja, Russland halt…

Mein Höhepunkt in Rostow war das Freilicht-Eisenbahnmuseum (gutes Wetter nötig!); mit dem Bus fährt man in die Nähe. Es sind 53 Loks und Waggons ausgestellt, darunter eindrückliche Dampfloks! Ein Angestellter wollte mir dort einen riesigen handgeschmiedeten Nagel als Souvenir in die Schweiz mitgeben. Aber das wäre am Flughafen wohl als Waffe taxiert worden, und: jedes zusätzliche Gramm war für mein Kabinengepäck schon eines zuviel. Trotzdem bedankte ich mich natürlich!
Auch bestieg ich das Riesenrad im Park der Oktoberrevolution. Es bietet weite Aussicht und hilft, sich zu orientieren.
Eisenbahnmuseum in Rostow am Don
Theaterplatz in Rostow am Don
Bootsfahrt in Rostow am Don

Taganrog

Der Höhepunkt meiner Reise war das Wochenende mit Freunden: Anna, Oksana mit Partner Wladimir und deren Sohn Artjom. Wladimir fuhr uns in seinem Auto herum. Am Samstag über Sambek nach Taganrog. Bei Sambek ist eine grosse militärische Gedenkstätte zu Ehren der sowjetischen Soldaten, die dort im 2. Weltkrieg gekämpft hatten. Ein Ausländer ist mit den dortigen Ereignissen natürlich nicht vertraut, nimmt aber die Wichtigkeit wahr, die dem «grossen vaterländischen Krieg» beigemessen wird.

Taganrog liegt etwas erhöht am Asowschen Meer und bietet sich an zum Bummeln. Über eine sehr lange breite Treppe gelangt man auf eine schöne Aussichts-Promenade am Meer. Das Meer selbst lädt allerdings nicht zum Baden ein, sondern ist durch Algen auffällig grün. Haben die nahen am Meer gelegenen Industrieanlagen wohl damit zu tun? Nach dem Mittagessen mit Meersicht besuchten wir das sehr schöne kleine Tschechow-Haus (Geburtshaus des Schriftstellers). Taganrog ist von Rostow aus auch per Bahn erreichbar.

Starotscherkasskaja

Am Sonntag gings nach Starotscherkasskaja. Im alten Stadtteil sind mehrere typische alte Häuser, ein Heimatmuseum und zwei wunderschöne Kirchen zu sehen. Die Strasse ist von Verkaufsständen gesäumt, wo Kleider, Blumen, Souvenirs, Tee aus grossen wahrhaftigen Samowars, selbstgebraute leicht alkoholhaltige Säfte (himmlisch!) und vieles mehr angeboten wird. Natürlich gibt’s da auch Restaurants. Hier ist man im alten Russland!

Gegen Abend in Rostow noch eine Bootsfahrt auf dem Don. Auffallend sind die vielen neuen grossen und komfortablen Wohnblöcke auf der südlich des Don gelegenen Stadtseite. Hierhin zieht es die Jungen (falls sie es sich leisten können), so Wladimir. Als wir anlegen, ist es schon dunkel, das vielfarbige Licht kommt jetzt von den zahlreichen Unterhaltungslokalen am Fluss. Sonntagabend, da ist was los…
Auferstehungskathedrale in Starotscherkasskaja
Samowar am Markt in Starotscherkasskaja, Russland
Mönchkloster in Starotscherkasskaja
Tratitionelle Häuser in Starotscherkasskaja

Noworossijsk

Am Tag 14 war ich um 06.15 am Bahnhof, um mit dem Morgenzug nach Novorissijsk zu fahren. Kaum aus dem Taxi gestiegen, sah ich schon Anna. Sie war, bevor sie zur Arbeit ging, zum Bahnhof gekommen, um mich zu verabschieden. Mit einem Proviantsack für mich, zubereitet von Oksana. Ja, es wäre für mich schwierig gewesen, auf der Reise verloren zu gehen oder zu verhungern…

Gegen Mittag Ankunft in Novorissijsk. Zwar ist das jetzt nicht gerade ein touristisches Highlight, es geht hier mehr um Handel und Industrie (grosser Hafen), aber bei genauerem Hinsehen findet man trotzdem Sehenswertes. Hauptattraktion ist die «Michail Kutusow», das als Museum hergerichtete ehemalige Kriegsschiff. Für mich als Schweizer war das trotz Führung auf Russisch sehr interessant, denn in der Schweiz gibt es ja keine Kriegsschiffe. Sodann kann man im Hafengebiet ausgedehnt bummeln und auf einer Mole weit hinausmarschieren. Nicht weit vom Hafen ist auch ein grosser Park, fast schon ein Wald.

Interessant war auch mein Hotel (Ich hatte dank der Sanktionen eigentlich keine Wahl): ein Einzelzimmer in einem grossen Sowjetkasten. Aber es funktionierte alles, auch das WLAN: an der Reception: «geben Sie mir Ihr Handy», und ich wurde über eine längere Prozedur eingeloggt.
Kreuzer 'Michail Kutusow
Denkmal zu Ehren der Gründer von Noworossijsk
Am nächsten Morgen dann die Fahrt per Schnellboot zurück nach Sotschi. Die Buchung hatte mir Anna besorgt: um einen meiner bevorzugten Plätze zu ergattern, musste sie die Reservation an einem ganz bestimmten Tag zu einer ganz bestimmten Minute tätigen, nicht 5 Minuten später!

In ängstlicher Vorsicht hatte ich am Vorabend die Abfahrtsstelle recherchiert. Und das war gut so. Der Check-in war an einem Eisentor weitab vom Boot. Und mit der Abfahrtszeit war nicht zu spassen: 06.45 bis 06.55 Einsteigen mit Dokumentenkontrolle, 07. 00 Abfahrt. Klar gab es Touristen, die den Checkpoint nicht fanden und dann schliesslich mit Gepäck einen Sprint hinlegen mussten. Die Fahrt geht flott voran, mit 65km/h, immer in Küstennähe; unterwegs sieht man vor Anker liegende Frachtschiffe.
Die Alternative wäre gewesen: Mit dem 2.Klass-Nachtzug direkt von Rostow nach Sotschi, aber 2.Klasse nachts ist Geschmackssache…
Schnellboot Noworossijsk - Sotschi
Schnellboot Noworossijsk - Sotschi

Adler

Das Hotel hatte ich aber nicht in Sotschi, sondern 30km entfernt in Adler, wo auch der Flughafen ist. Die bequemste Art, dorthin zu gelangen, ist natürlich per Taxi. Aber ich hatte ja nur Kabinengepäck, also riskierte ich die Fahrt mit dem Linienbus, zumal es unweit meines Hotels eine Haltestelle gab. Bloss musste ich da zuerst nach der nächsten Abfahrts-Haltestelle fragen, und im Bus wieder nach dem richtigen Zeitpunkt zum Aussteigen. Zwar hatte ich mir die Anzahl Stopps und deren Namen aufgeschrieben, aber erstens sind die halt vielfach nicht beschildert, und zweitens fährt man dort, wo niemand wartet, ungebremst daran vorbei, da müsste man sehr schnell lesen können! Da wäre ein Display im Bus sehr nützlich…So hatte ich bald einmal (die Fahrt dauert über eine halbe Stunde) den Überblick verloren und musste jemanden fragen. Aber selbst so kann es offenbar passieren, dass man eine Haltestelle zu früh aussteigt. Das war mir aber nicht sofort klar. Liegen die Haltestellen genügend weit auseinander, nützt dann der mitgebrachte Kartenausschnitt wenig, da er sich ja auf die andere Haltestelle bezieht. Immerhin liess er in mir ein grosses Fragezeichen entstehen. Also fragte ich jemanden, und -zur Kontrolle- nach kurzer Zeit noch jemanden. So liess sich wenigstens eine längere Irr-Wanderung mit Gepäck vermeiden.

Adler hat vor allem Vergnügungsparks und Badestrände anzubieten, aber ich hatte dort nur einen halben Tag zur Verfügung und beschränkte mich auf das sehenswerte Aquarium. Am Abend schlenderte ich durch die belebten Strassen dort in der Nähe; da ist so ungefähr jedermann unterwegs, ohne genaues Ziel, einfach um zu spazieren, zu schwatzen, an einem der unzähligen Läden und Verkaufsstände etwas zu erhaschen: Süssigkeiten, Nüsse, Spielzeug, Kleider, Gebratenes, und sich schliesslich in einem der vielen Restaurants niederzulassen. Das tat auch ich und hatte so einen gemütlichen stimmungsvollen Ausklang.

Tja, mit der Taxifahrt zum Flughafen am nächsten Morgen endete mein Russland-Aufenthalt.
Aquarium in Adler
Panorama auf Kaukasusgebirge in Krasnaja Poljana
Lokaler Markt in Adler
16 Tage sind keine Ewigkeit, aber ich fühlte mich nun schon ziemlich zuhause in Russland, es war das normalste der Welt, hier zu sein. Kaum vorstellbar, dass ich schon morgen oder übermorgen hören werde: «Was, du warst jetzt in Russland, was wolltest du da bloss?»
Na ja, man kann nicht jedermann alles erklären, aber falls du nicht auf Mainstream-Vorstellungen fixiert bist, kann ich dir nur raten: Schau dir Russland an! Es ist nicht so, wie es nach Klischee sein sollte, sondern viel schöner!
Oxana, Peter und Anna während der Bootsfahrt in Rostow am Don
Vielen Dank für die Bilder an Peter Rüegg
Baikal Reise Russland 2024
REISEPLAN:
Tag 1 - Flug von Sotschi nach Zürich via Istanbul
Tage 2-3 - Sotschi. Stadtbummel, Museen, Bootsfahrt, Dendrarium, Stalins Datscha
Tag 4 - Rosa Chutor, Mit Sessellift in den Kaukasus
Tag 5 - Sotschi: Teeplantage, Wanderung bei Wasserfällen, Nachtzug nach Kislowodsk
Tag 6 - Kislowodsk mit Lokalbus und zu Fuss
Tag 7 - Ausflug nach Pjatigorsk und Jessentuki mit Lokalzug
Tag 8 - Kislowodsk Besichtigung 2.Teil, mit Seilbahn zum Hausberg
Tage 9-10 - Zugfahrt Kislowodsk - Rostow, Besichtigung Rostow 1.Teil, zu Fuss und mit Stadtbus
Tage 11-12 - Ausflüge nach Taganrog und Starotscherkasskij mit Freunden
Tag 13 - Besichtigung Rostow, 2.Teil
Tag 14 - Zugfahrt Rostow-Novorossijsk, Bummel in der Stadt
Tag 15 - Fahrt mit Schnellboot nach Sotschi, mit Stadtbus von dort nach Aldler, dort Quartierbummel und Aquarium
Tag 16 - Rückflug über Istanbul nach Zürich
Selbst für mich, die in Rostow am Don lebt, schien die Idee, 2024 als Ausländer durch Südrussland zu reisen, gewagt. Doch ich fragte mich: Was steht der Reise eigentlich im Wege? Ja, es ist komplizierter geworden – aber wir finden vor Ort immer eine Lösung. Schließlich leben wir hier ein normales Leben, und Peter scheut sich nicht vor Herausforderungen. Außerdem gibt es mittlerweile ein schnelles und bequemes E-Visum.

Ich habe mich sehr auf Peters Ankunft gefreut. Es ist erstaunlich, wie stark der Faden der schweizerisch-russischen Freundschaft sein kann, wenn Menschen trotz aller Umstände daran festhalten wollen: Nach unserer Bekanntschaft mit Corinne und Peter 2018 in Moskau sahen wir uns in der Schweiz und nun in meiner Heimatstadt Rostow.

Danke, lieber Peter, für unsere Zeit zusammen und den wunderschönen Artikel.
Und.. wo wird unser nächstes Treffen stattfinden?

Anna Safronowa
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