An einem frühen nebligen Morgen verlassen wir Kaliningrad und machen uns auf den Weg nach Norden. Unterwegs halten wir unbedingt im gemütlichen Ferienort Selenogradsk, um endlich die Ostsee zu treffen und auf der breiten Uferpromenade zu wandern. Cranz entstand als kleines preußisches Fischerdorf, erhielt aber bereits im 19. Jahrhundert den Status eines königlichen Badeortes und zieht bis heute viele Reisenden in mehrere Ferienhäuser und Kurheime an. Diese Stadt verdient mehr als einen kurzen Spaziergang - es wäre auch schön, ein paar Tage hier zu verbringen.
In wenigen Minuten erreicht man die Nehrung. Der Reiseleiter berichtet über eine große Vielfalt von seltenen Vögeln. Mehr als 200 Arten nisten hier oder wählen diese dünne sandige Landenge während langer Züge. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde die deutsche Vogelwarte Rossitten eröffnet worden, auf deren Grundlage im Jahr 1956 die heutige Station Fringilla in der Siedlung Rybatschi erschien. Sie wurde nach dem lateinischen Namen eines der häufigsten Vögel auf der Kurischen Nehrung, dem Finken, benannt. In der Herbstsaison fliegen mehr als eine Million Zugvögel täglich über die "Vogelbrücke" von den nördlichen Ländern nach Afrika und Südeuropa. Finken, Meisen, Schwalben, Goldhähnchen, Stare, Falken - wen man da nicht so alles trifft! Die Vogelwarte mit den weltgrößten Vogelfallen befindet sich an der engsten Stelle der Nehrung. Wenn ein Vogel darauf trifft, setzt man ihm einen kleinen Ring mit Daten auf und lässt sofort auf die weitere Reise fliegen. Dieses Verfahren hilft die Routen der Zugvögel auf dem Planeten zu verfolgen. "Tut es dem Vogel nicht weh?", fragen wir. "Nein, auf keinen Fall. Bei Beringung wurde kein einziger Vogel verletzt", erklärt der Ornithologe.